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Yann Mingard »

Deposit

Exhibition: 8 Mar – 24 Aug 2014

Fri 7 Mar 19:00

Fotomuseum Winterthur

Grüzenstr. 44+45
8400 Winterthur

+41 (0)52-2341060


www.fotomuseum.ch

temp. closed

Deposit
Yann Mingard
Creavia, Bull sperm bank, Saint-Aubin-du-Cormier, France, 2011
Laboratory.
Inkjet print, 55.4 x 70 cm © Yann Mingard

Yann Mingard
"Deposit"

Exhibition: March 8 to May 25, 2014
Opening: March 7, 7pm

How does our secular society manage its heritage and, with that, its future? By collecting and archiving data with near-religious zeal: human DNA in the form of slivers of umbilical cord, dental samples and sperm, DNA of animals already extinct in the wild, the seeds of all manner of (agricultural) plants. And, of course, vast quantities of digital data that we leave behind on the big data pathways of the internet, credit card statements and official registers.

From 2009 to 2013, Swiss photographer Yann Mingard (*1973) documented this avid pursuit of collection and storage in images that raise many of the unasked but pressing questions of our time. Do propagation technologies transform the human prosthetic God into a veritable demiurge? Does the obsessive collec-tion of data perhaps even mask a sense of unease at the disappearance of religious rituals and doctrines? What is the significance of a diversity of plant and animal species that exist only as rare individual speci-mens in laboratories, zoos and botanical seedbanks? Will the age-old fantasy of eternal life one day be-come a real biological and medical possibility? Yann Mingard pictures this dizzying array of issues in strik-ingly dark photographs in which medical instruments, data servers, human, animal and plant samples, the interiors and (occasionally) exteriors of laboratories and archives can often be discerned only on closer inspection. In the chapter on Plants, for instance, Yann Mingard shows an innocuous looking glass vessel against a background dark as night. In the glass are a few seeds of a Spanish plant that exists today in only six botanical gardens worldwide. In the section on Animals, we see a bull copulating, while a scientist on the other side of a glass screen stares into a microscope: propagation as a seemingly perfectly calibrate and controlled scientific process. A cylinder that looks like an old-fashioned spin-dryer or reminiscent of the Star Wars robot R2-D2 features in the chapter on Humans. The caption informs us that this silver drum contains four human brains and a dog, all frozen in liquid nitrogen, and all awaiting the day when they might be brought back to life again. A uniformed security guard stands before a shotcrete imitation of a rock formation, typical of military bunkers. Inside the mountain behind this artificial stone wall there are servers containing vast quantities of Data, from the banal to the highly sensitive, which we produce in in-creasing amounts every day, and entrust to these huge storage facilities.

These are just four examples of how we deal with our virtual and material heritage. At the same time, in the glistening darkness of Yann Mingard’s photographs, something shines through that is almost beyond words or images, and which eludes the codes and formulae of science and medicine. Even the most imagi-native of science fiction authors have, until now, made few forays into this crazy rational world of sterile petri dishes, blast-dried seeds, animals copulating with rubber vaginas, and high-performance data servers in former military bunkers. Can artistic, philosophical and essayistic images, thoughts and analyses catch up with the breakneck speed at which scientific achievements, insights and possibilities are developing? Pondering these realities is the challenge we face with the exhibition Deposit.

The exhibition includes a specially composed soundtrack by the Australian artist, Ben Frost, who now lives in Reykjavik, Iceland. He works regularly with artists, producers and filmmakers, and also with musicians such as Björk and David Bowie.

The exhibition is accompanied by a lavishly illustrated book published by Steidl Verlag, with essays by Jacques Arnould, Thomas Lemke and an extensive glossary by Lars Willumeit.

A collaboration between Fotomuseum Winterthur, Museum Folkwang, Essen, FotoMuseum Antwerpen and GwinZegal, Guingamp, Curator: Thomas Seelig.

Deposit
Yann Mingard
Swiss National Stud Farm, Avenches, Switzerland, 2011
Castration of a young stallion and collection of sperm for
freezing and extremely low-temperature preservation.
Inkjet print, 70 x 55.4 cm © Yann Mingard

Yann Mingard
"Deposit"

Ausstellung: 8. März bis 25. Mai 2014
Opening: 7. März, 19 Uhr

Wie verwaltet unsere säkulare Gesellschaft ihr Erbe und damit ihre Zukunft? Indem sie mit religiösem Eifer Daten sammelt und archiviert: Menschliche DNA in Form von hauchdünnen Nabelschnurscheibchen, Zahnproben und Sperma. DNA von Tieren, die nicht selten in der freien Natur bereits ausgestorben sind. Saatgut aller möglichen (Nutz)Pflanzen dieser Welt. Und natürlich Unmengen digitaler Daten, die wir auf den Big Data Bahnen des Internets, der Kreditkartenabrechnungen und amtlichen Register hinterlassen.

Von 2009 bis 2013 dokumentierte der Westschweizer Fotograf Yann Mingard (*1973) in seinem Projekt Deposit diese Sammel- und Lagerwut mit Bildern, die viele dringende Fragen unserer Zeit aufwerfen. Verwandeln Fortpflanzungstechnologien den Prothesengott Mensch in einen veritablen Schöpfer? Was bedeutet eine pflanzliche oder tierische Artenvielfalt, die nur noch theoretisch oder als rares Einzelexemplar in Labors, Zoos und botanischen Saatenbanken existiert? Werden in Zukunft uralte Menschheitsfantasien vom ewigen Leben eine konkrete biologische und medizinische Möglichkeit? Yann Mingard bebildert diese weiten Fragenfelder mit auffallend dunklen Fotografien, auf denen sich medizinische Gerätschaften, Datenserver, menschliche, tierische und pflanzliche Proben, Innen- und ganz selten auch Aussenräume von Laboren und Archiven oft erst auf einen zweiten Blick herausschälen und abzeichnen. In vier Kapiteln behaupten seine Fotografien eine dunkle Rück- oder Kippseite des aufgezeigten wissenschaftlichen Fortschritts, in dessen Verlauf der Mensch die mächtige Natur immer weiter gezähmt, optimiert und seiner Analyse und Ordnungsmacht unterworfen hat. Im Kapitel Pflanzen zeigt Yann Mingard etwa vor nacht-schwarzem Hintergrund ein unschuldiges kleines Glasgefäss. Darin befinden sich ein paar Samenkörnchen einer spanischen Pflanze, die weltweit nur noch in sechs botanischen Gärten existiert. Im Abschnitt Tiere trifft ein kopulierender Stier auf einen durch eine Glasscheibe vom Tier getrennten Wissenschaftler, der in ein Mikroskop starrt: Fortpflanzung als scheinbar perfekt abgezirkelter und kontrollierter wissenschaftlicher Vorgang. Ein Zylinder, der aussieht wie eine altmodische Wäscheschleuder oder der Roboter R2-D2 aus Star Wars, ist ein Bild aus dem Kapitel Mensch. Die Bildlegende informiert, in dieser Silbertrommel warteten vier in flüssigem Stickstoff tiefgefrorene menschliche Gehirne und ein Hund auf eine Zeit, in der sie vielleicht wieder aufgetaut und zu neuem Leben erweckt werden können. Vor einem Felsimitat aus Spritzbeton wie man es von Militärbunkern kennt, steht ein uniformierter Security-Beamter. Im Berg hinter der künstlichen Steinwand lagern Server mit Unmengen alltäglicher, aber auch hochbrisanter Daten, von denen wir täglich mehr produzieren und riesigen Speichern anvertrauen.

Das sind nur vier Beispiele dafür, wie wir heute mit unserem virtuellen und materiellen Erbe umgehen. Gleichzeitig scheint im gleissenden Dunkel von Yann Mingards Fotografien etwas auf, wofür es abseits der Sprachen, Formeln und Codes der Naturwissenschaft und Medizin noch kaum Worte und Bilder gibt. Selbst die fantasiebegabten Science Fiction Autoren sind bis jetzt nur selten vorgedrungen in diese ver-rückt rationale Welt aus blitzblanken Petrischalen, schockgetrockneten Pflanzensamen, mit Gummivaginas kopulierenden Tieren und heisslaufenden Datenservern in alten Schutzbunkern. Die Ausstellung Deposit fordert dazu heraus, uns über diese Realitäten Gedanken zu machen.

Ein eigens für die Ausstellung produziertes Musikstück des in Island wohnhaften Komponisten Ben Frost (AUS) untermalt die Ausstellung akustisch. Frost ist bekannt durch seine Zusammenarbeit mit Künstlern, Regisseuren, Filmemachern, aber auch mit Musikern wie Björk oder David Bowie. Begleitend zur Ausstellung erscheint ein reich illustriertes Buch im Steidl Verlag mit Essays von Jacques Arnould, Thomas Lemke sowie einem umfassenden Glossar zur Ausstellungsthematik von Lars Willumeit.

Eine Zusammenarbeit mit Museum Folkwang, Essen, FotoMuseum Antwerpen und GwinZegal, Guingamp, Kurator: Thomas Seelig.

Programm

Sonntag, 9. März 2014, 11.30 Uhr: Künstlergespräch mit Yann Mingard und Thomas Seelig in der Ausstellung Deposit – Yann Mingard (in Englisch).

Mittwoch, 30. April 2014, 18.30 Uhr: Fokus «Schöne neue Welt? Yann Mingards Projekt ‹Deposit›». Mit Astrid Näff.

Sonntag, 6. April 2014, 11.30 Uhr: Das Fotobuch-Quartett: Investigative Fotografie

Seit den 1840er-Jahren hat die Fotografie eine entscheidende Rolle dabei gespielt, gesellschaftliche Probleme und Fragestellungen sichtbar zu machen. Auch zeitgenössische Künstlerinnen und Fotografen integrieren (visuelle) Sozialforschung in ihr Schaffen – und machen dabei von neuen Methoden und Rechercheinstrumenten Gebrauch. Wie aber lassen sich komplexe gesellschaftliche Fragestellungen in eine visuelle Form, insbesondere in jene des Fotobuches übersetzen? Im Kontext der Ausstellung Deposit – Yann Mingard diskutieren Joerg Bader (Direktor Centre de la photographie, Genf), Barbara Basting (Ressortleiterin Bildende Kunst, Kulturdepartement Stadt Zürich), Duncan Forbes (Co-Direktor Fotomuseum Winterthur) und Koni Nordmann (Fotograf, Verleger, Dozent) mit Moderatorin Mirjam Fischer über investigative Fotobücher und ihre Herausforderungen.

Deposit
Yann Mingard
Bahnhof.se, “Pionen”, High security computer centre, Stockholm, Sweden, 2011
Main room hewn into the rock.
Inkjet print, 70 x 55.4 cm © Yann Mingard
Deposit
Yann Mingard
CRYOS International, Aarhus, Denmark, 2010 Private human sperm bank.
Semen straw ready for freezing in liquid nitrogen.
Inkjet print, 42 x 33.2 cm © Yann Mingard