Anne Guillin – Auf der anderen Seite

Das Besondere an der Polaroid-Fotografie ist ihre Produktion von Unikaten. Es gibt kein Positiv von einem Negativ und kein Negativ, von dem man ein Positivbild herstellen könnte – das Polaroid ist quasi beides in einem zugleich. Zu der Einmaligkeit kommt sein Dasein als Einzelbild. Polaroid-Fotografien existieren als einmalige Unikate nebeneinander.

Dieses autonome Nebeneinander von Bildern ist bewusster Teil der Polaroid-Arbeiten von Anne Guillin. (...) Trotz subjektiver Perspektive schafft Anne Guillin assoziativ aufgeladene Bilder, die dem Betrachter in ihrer Offenheit Raum für eigene Projektionen und Erinnerungen geben. (...)

Ein schwerer, dunkelroter Vorhang, ein Treppenhaus, seidige Vorhänge vor verregneten Fenstern, Teile einer rotgestreiften Markise in herrlichem Sonnenschein, blumige Tapeten und Stuckdecken einer Altbauwohnung, eine Lampionkette im Wind – die fotografierten Situationen lassen in ihrer Verknüpfung von sachlicher Formschönheit mit romantisch melancholischen Momenten, in Verbindung mit Alltagsbegebenheiten und surreal anmutenden Szenarien viel Platz für eigene Assoziationen und Gedankenketten. Anne Guillin setzt hierfür subtil die Technik des Polaroids ein. Die Bilder wirken fern jeglicher dokumentarisch orientierten Motivation auf die Visualisierung von bestimmten Atmosphären und Stimmungen hin. Die Grenzen des realen Raums verflüchtigen sich, der Bildraum öffnet sich in die Weite der Erinnerung und der Emotionen.

Die spezifischen Farbwerte des Sofortbildes und dessen leichte Unschärfe entsprechen der malerischen Anmutung der Bilder, die sich durch ausgewählte Bildkompositionen, An- und Ausschnitthaftigkeit auf Abstand zur Wirklichkeit positionieren. Besonders der für das Polaroid typische weiße Bildrahmen gewinnt hier an eigener Bedeutung. Der technisch bedingte Rand wird von Anne Guillin ins größere Ausstellungsformat bewusst übertragen. Er rahmt das Bild und wird zur Metapher einer Tür hinein in eine Sphäre ohne reale Bedingungen und Begrenzungen. Anne Guillin bildet die sichtbare Welt ab, doch ihr Abbild schürt die Sehnsucht nach dem Eintauchen in eine andere. (Ulrike Wesphal)

Anne Guillin (* 1970) stammt aus Lyon. Sie ist seit September 2007 in der Masterclass von Professor Arno Fischer.

Vernissage, 08. Februar 2011, 19.30 Uhr