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Come As You Are
Tobias Trutwin, visage, approx. 52 cm x 48 cm, glas, 1994/2001

Come As You Are

Jim Campbell » Via Lewandowsky » Bruce Nauman » Axel Philipp » Tobias Trutwin »

Exhibition: 10 Apr – 9 May 2010

Kunstraum: Morgenstraße

Morgenstraße 75
76137 Karlsruhe

0721-5655784


www.morgenstrasse.de

Sa, So 16-19 +

"Sie fanden aber den Stein weggewälzt von dem Grab / und gingen hinein und fanden den Leib des Herrn Jesus nicht." Folgt man vielen Theorien, dann ist das Portrait in seinem Wesen ein Umgang mit der Abwesenheit. Davon zeugt der sentimentale family snapshot ebenso wie das Gemälde des Herrschers in Vertretung seiner Macht, wie das Pin-Up als Substitut des Begehrens. Die Kraft des Portraits fordert umgekehrt Skepsis heraus, vom Ikonoklasmus bis hin zu der Frage nach der Authentizität des digitalen Abbilds, in der jedoch verkannt wird, dass jedes Bild - ob nun konstruiert oder reproduziert - im Grunde immer nur eines ist: eine unterteilte Fläche, die überzeitlichen Gesetzen folgend Licht reflektiert, ein Gegenstand von Physik und eine Sammlung von Koordinaten, Farbwerten, Materialeigenschaften. Doch ist ein Bild natürlich nicht nur sein materieller Träger, und definiert sich in gleichem Maße durch die Handlungen, die zu seiner Entstehung führen: Prozesse des Übertragens, die sich im Portrait zwischen dem Gesicht, dem Körper des Abgebildeten und dem Bildkörper abspielen, und in denen die künstlerische Entscheidung gewissermaßen eine Vermittlerrolle einnimmt - Emanationen, die das Alltägliche mit Bedeutung aufladen. Parallel zur Ausstellung des Grabtuchs von Turin, das nun seit 10 Jahren zum ersten Mal wieder im Turiner Dom der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, möchte der Kunstraum:Morgenstraße Positionen der zeitgenössischen Kunst präsentieren, die solche Prozesse in den Mittelpunkt rücken und so die Möglichkeit der Spur eines Körpers oder einer Identität hinterfragen. Dabei treten nicht nur die Vorgänge des Übergangs vom Körper zum Bild zutage, sondern auch das magische oder poetische Denken, das es uns Betrachtenden erlaubt, im Abbild eine Identität oder gar Wahrheit zu erkennen. Die Frage nach dem Verhältnis zwischen Urbild und Abbild ist hier von zentraler Bedeutung, handelt es sich doch beim Turiner Grabtuch gerade um ein Bild, das vor dem "Sündenfall" des "Verrats der Bilder" durch die Kunst entstanden ist - Rene Magrittes Diktum, dass das Bild einer Pfeife keine Pfeife sei, steht in diesem Zusammenhang genauso zur Diskussion wie das mosaische Bilderverbot. In Bruce Naumans "Body Pressure" entsteht das Portrait im Akt des (Ab-)Drückens selbst; die Interpretation und Identifikation dieses Portraits fallen in Eins mit unserer Selbsterfahrung bei seiner immer ephemer bleibenden Herstellung, aber auch das Verhältnis zwischen Wort und Bild und das Motiv der Fleischwerdung des Wortes klingen hier an. Auch in Jim Campbells "Self Portrait of Paul Demarinis" entsteht das visuelle Abbild prozesshaft aus einer anderen Form der Aufzeichnung; hier sind es Stimmlaute des Klangkünstlers selbst, aus denen das Bild generiert wird, und wie jede Stimme ist auch diese - und das resultierende Bild - flüchtig und dem Lärm, der willentlichen Unterbrechung ausgeliefert. Eine Unschärfe des Portraits zeigt sich auch in Tobias Trutwins "Visage"; das Problem der Authentizität und tatsächlichen Erkennbarkeit Christi auf dem Turiner Grabtuch wird hier durch die Überblendung mit "Ikonen" des 20ten Jahrhunderts verstärkt, die ihrerseits selbst nur noch als historisch-politische Schlagbilder vermittelt werden, während ihre Referenz auf ein Individuum zunehmend verblasst. Via Lewandowsky nimmt das historische Artefakt als Grundlage für eine humorvolle aber doch auch zutiefst poetische Auseinandersetzung mit der Spur des Sakralen; nur ist das heilige Bild hierbei eines aus der Mythologie der Kunst selbst, das seinerseits ikonisch für die Abkehr von einem rein mimetischen Abbild steht. In den Arbeiten von Axel Philipp schließlich entsteht die abstrakte Formsprache aus einem sehr eigenen Prozess des Abbildens; dass seine "Schmirgelpapierzeichnungen" tatsächlich "wahre Bilder" ihrer Objekte wären und dass sie gleichsam Berührungsreliquien seiner alltäglichen Umwelt sind, ist vielleicht nur metaphorisch zu begreifen - dass in ihnen auch die Formen des Grabtuchs anklingen, daher allerdings nicht unbedingt ein Zufall. Die Positionen dreier Künstler aus Deutschland und zweier aus den USA geben Anlass, die Problematik der Wahrheit eines Abbilds in verschiedenen Medien zu diskutieren. Come / As you are / As you were / As I want you to be: ist die eigentliche Frage nach dem - sakralen oder künstlerischen - Portrait nicht weit jenseits der Frage nach seiner Authentizität diejenige, wen wir erkennen wollen, wen wir abbilden und wen abgebildet sehen wollen? Die Ausstellung findet mit freundlicher Unterstützung des Kulturbüros der Stadt Karlsruhe, dem Roncalli Forum und der Gerstäcker-Bauwerk GmbH statt.