in den bildern von marc räder - von stefan schuster, berlin. was zeigen die bilder von marc räder? nichts, nichts spektakuläres...autospuren im sand, schemenhaft ein meer, menschen die an einem überdimensionalen zaun aus verrostetem eisen stehen...abgesehen davon sehen wir nichts, nichts spektakuläres. und dennoch oder gerade deshalb drängt sich die frage auf: was ist das für ein zaun, wie und warum steht er hier, warum sind die menschen zu diesem zaun gekommen, was genau machen sie dort, woher kommen und wohin führen die spuren im sand? und wir beginnen zu träumen: eine horde teenager ist früh morgens mit ihren beach buggys und jeeps am strand unterwegs, sie haben ganze nacht getrunken, fahren wie wild am meer entlang, immer weiter, immer schneller, und plötzlich stehen sie vor dieser absperrung aus stahl...keiner von ihnen hat sie je gesehen, niemand weiß, wie sie dorthin gekommen ist oder wie lange sie schon da war...die fahrer nehmen ihren fuß vom gas, rollen aus, blicken entgeistert, dieses bild muss erst noch in ihre köpfe, dann drehen sie um, drehen dem zaun ihren rücken zu, und fahren ernüchtert zurück...später, das erscheinen der absperrung hat sich herumgesprochen in der ganzen stadt, machen sich einzelne - wagemutig und naiv – auf den weg um den zaun zu sehen. sie nehmen ihre kinder bei der hand und gehen, erst zaghaft, dann immer selbstbewusster dem zaun entgegen, der steht noch an der selben stelle und wartet, was sonst sollte er tun, nach all den jahren, er war eben immer schon da, wurde einfach nicht gesehen, und jetzt verrostet und löchrig wird er wahrgenommen. die menschen erreichen den zaun, wagen sich ganz dicht heran, sie berühren den zaun mit ihren fingern und den fingern ihrer kinder, lange sehen sie durch den zaun, sie sehnen sich nach dem dahinter, nach dem strand, dem meer, der luft, die auf der anderen seite fließt, und: könnten sie sie atmen, dann wäre vieles anders, bestimmt...wusste der sandwich verkäufer schon seit langem, derlei gedanken machen hungrig, eilfertig hat er seinen wagen mitgebracht und verkauft seine nahrung, lange schon auch er...irgendwann geht die sonne unter, die menschen ziehen pullover und jacken über, sie verschränken vor kälte die arme und rollen ihre zehen in den sandalen, sie werfen letzte blicke durch den zaun, sehnsuchtsvoll, ehe sie sich auf den heimweg machen, kurz bevor es gänzlich dunkel wird, einige sich gegenseitig an den händen nehmend, das meer rauscht, der sand knirscht, es wird finster, bald sieht man nichts mehr...was zeigen die bilder von marc räder... die bilder von marc räder zeigen keine singuläre aufnahme, kein hermetisches einzelbild, sondern sie sind teil eines kontinuums, einer geschichte, die vor dem abgelichteten bild beginnt und danach weitergeht. so als würde man einen einzelnen filmkader betrachten, in dem der gesamte film angelegt ist. marc räder lädt den betrachter seiner bilder ein, diese narration in der eigenen vorstellung zu entwicklen, und er stellt - nicht zuletzt anhand seiner fototechnik (ein scharfes zentrum, das gegen die ränder hin immer mehr interpretationsspielraum erlaubt) - ein aussagekräftiges vokabular zur verfügung.